Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter: Regelvermutung für die Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen

Wie in einem Uhrwerk können auch auf unseren Straßen bereits die kleinsten (Zahn-)Räder große Schäden anrichten. Das sollte jedem erwachsenen Verkehrsteilnehmer bewusst sein - besonders dann, wenn dieser nachweislich eine Fahrprüfung erfolgreich absolviert hat. In disem Fall musste das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) daher auch entscheiden, ob eine Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter den Entzug der Fahrerlaubnis nach sich ziehen kann. Wer sich daran erinnert, wie es sich sogar mit den Folgen einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad verhalten kann, ahnt, wie die Antwort ausfiel.

Der Angeklagte hatte sich spontan dazu entschlossen, nach einem Kneipenbesuch einen E-Scooter für die Heimfahrt zu nutzen. Seine Blutalkoholkonzentration lag bei mindestens 1,64 ‰. Das erstinstanzliche Amtsgericht (AG) hatte ihn daraufhin zwar wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe und einem Fahrverbot von sechs Monaten verurteilt. Die Fahrerlaubnis wurde dem Angeklagten jedoch nicht entzogen. Hiergegen wandte sich die Amtsanwaltschaft mit einer sogenannten Sprungrevision, mit der das Rechtsmittel der Revision direkt gegen erstinstanzliche Entscheidungen der unteren Gerichte eingelegt und die Zweitinstanz übersprungen wird.

Das OLG hat das Urteil dahingehend aufgehoben, dass das AG die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Bestimmung einer Sperrfrist für die Neuerteilung abgelehnt hatte. Denn nach Ansicht des OLG war die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen, da sich aus der Tat ergibt, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet war. Es besteht weder Raum für ein Ermessen des Tatrichters noch findet eine Verhältnismäßigkeitsprüfung statt. Der Umstand, dass der Angeklagte nicht Auto, sondern E-Scooter gefahren ist, sei unerheblich. Auch der Hinweis des AG, dass die Benutzung eines E-Scooters durch einen betrunkenen Fahrer andere Menschen nicht in gleichem Maße gefährde wie die Trunkenheitsfahrt eines Kraftfahrzeugfahrers, überzeugte das OLG nicht. Der Sturz eines Fußgängers oder Radfahrers könne ganz erhebliche, unter Umständen sogar tödliche Verletzungen verursachen, insbesondere bei Ausweichmanövern stärker motorisierter Verkehrsteilnehmer durch alkoholbedingte Fahrfehler eines E-Scooter-Fahrers. Der Angeklagte hat durch seine gedankenlose Nutzung eines E-Scooters in erheblich alkoholisiertem Zustand die Katalogtat der fahrlässigen Trunkenheitsfahrt erfüllt und sich damit als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.

Hinweis: Die Begehung einer Trunkenheitsfahrt - wie hier - begründet eine Regelvermutung für die Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen, § 69 Strafgesetzbuch. Nur wenn sich die Tatumstände von denen eines Durchschnittsfalls deutlich abheben, kann in seltenen Ausnahmefällen von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden. Mit der Entziehung der Fahrerlaubnis soll nicht nur verhindert werden, dass der Täter weiterhin betrunken Kraftfahrzeuge fährt. Bezweckt wird vielmehr ganz allgemein der Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 08.05.2023 - 1 Ss 276/22
zum Thema: Verkehrsrecht

(aus: Ausgabe 08/2023)